Krawall im Kita-Garten

Sachverhalt:

Der Konfliktpartner 1 und seine Frau wohnen direkt neben einer Kita. Seit vielen Jahren sind sie die lauten Spielfreuden der Kinder gewohnt. In letzter Zeit häufen sich jedoch erhebliche Lärmspitzen, die für die Eheleute unerträglich sind. Alle Versuche, mit der Kita-Leitung (KP2) über die Lärmbelästigung zu sprechen, stoßen auf Ignoranz. Der KP1 und seine Frau möchten den Konflikt in einer Mediation klären.

KP1: Nachbarn der Kita     KP2: Kita-Leitung     KP3: Oberbürgermeister

Verlauf der Mediation:

Im Telefonat mit dem Mediator schildern die Eheleute ihre missliche Lage. Während der Lärmspitzen randalieren die Kinder regelrecht im Garten, schlagen auf ihre Sandkastenformen aus Metall und gegen das hölzerne Spielhaus. Die Kita-Erziehenden haben dies nicht im Blick und lassen die Kinder gewähren. Jegliche Gesprächsversuche der Eheleute mit der Kita-Leitung wurden bisher abgeblockt. Die Eheleute wünschen sich sehnlich, dass ihre Not endlich gehört wird und eine gemeinsame Lösung gefunden wird. Gemeinsam mit dem Mediator überlegen sie, welche beteiligten Personen und Institutionen es gibt, die zur Etablierung einer konstruktiven Gesprächsrunde beitragen könnten. Es stellt sich heraus, dass neben der Kita-Leitung auch die Stadtverwaltung als Träger der Kita entscheidungsbefugt ist, und daher Hebel in der Hand hat, um den Konflikt zu lösen. In Absprache mit den Eheleuten nimmt der Mediator Kontakt zur Kita-Leitung und zum Oberbürgermeister auf. Nach sehr vielen Telefonaten haben die Parteien genug Vertrauen in den Mediator geschöpft, und willigen ein, gemeinsam in einer Präsenzmediation über den Konflikt zu sprechen.

Im Laufe der Präsenzmediation offenbart die Kita-Leitung, dass sie sich von den Beschwerden der Eheleute angegriffen fühlt. Es sei der Eindruck entstanden, die Eheleute hätten kein Verständnis für spielende Kinder und würden prinzipiell gegen die Kita agieren. Durch Unterstützung des Mediators wird dieses Missverständnis aufgeklärt: Die Eheleute stören sich ausschließlich an den Lärmspitzen, nicht jedoch am Kita-Betrieb im Allgemeinen. Die Kita-Leitung erkennt daraufhin an, dass es ab und an zu Krawall im Garten kommt. Die Eheleute atmen auf – endlich fühlen sie sich mit ihrem Anliegen ernst genommen. Die Anerkennung ihres Leidens durch die Kita-Leitung löst den ersten Knoten. Im Folgenden erkennen die Eheleute den nervenaufreibenden und herausfordernden Job der Kita-Erziehenden an. Es ist sehr schwer, immer alle Kinder im Blick zu haben. Auch die Kita-Leitung zeigt sich erleichtert, dass ihre alltäglichen Herausforderungen gesehen werden. Die gegenseitige Anerkennung ist der Wendepunkt der Mediation und wirkt auf alle Parteien entlastend. Dadurch werden Ressourcen frei, um Lösungsoptionen zu entwickeln, zu bewerten und final zu verhandeln.

Ergebnis/Lösung:

Am Ende beschließen die Parteien einen breiten Maßnahmenkatalog: Die Kita-Leitung verpflichtet sich dazu, die Kinder im Außengelände intensiv zu beaufsichtigen, um Lärmspitzen abzumildern. Alle Kita-Mitarbeitenden werden in einem offiziellen Termin vom Ortsbürgermeister über diese Maßnahme informiert und bezüglich des Lärmthemas sensibilisiert. Sowohl der Ortsbürgermeister als auch die Kita-Leitung sind von nun an für die Eheleute telefonisch erreichbar, damit diese weitere Lärmspitzen unmittelbar melden können.

Kommentar:

In einem Konflikt ist das Anerkennungsverhältnis zwischen den Konfliktparteien gestört. Lösungsräume können erst dann entstehen, wenn das Anerkennungsverhältnis wieder ausgeglichen wird. Mediation wird daher auch als „Dialog der Anerkennung“ bezeichnet. Dabei werden drei Stufen der Anerkennung durchlaufen:
Zuerst erkennt die Mediatorin als allparteiliche Dritte die Anliegen der einzelnen Parteien an. Diese Art der Anerkennung führt bereits zu einer ersten Entlastung – die Parteien erfahren, dass ihnen endlich jemand zuhört und sieht, was sie gerade durchmachen. Dies befähigt die Parteien dazu, sich im zweiten Schritt langsam in Richtung Anerkennung der Anliegen der jeweils anderen Partei zu bewegen. Dieser Schritt ist für die Konfliktparteien oft schwierig und braucht viel Mut und Unterstützung durch die Mediatorin. Im dritten Schritt kommt es dann zu einem Kontenausgleich zwischen den Parteien durch materielle Handlungen (z.B. Zahlungen, Rückerstattung etc.) oder immaterielle Handlungen (hier: intensive Aufsicht der Kitakinder, Sensibilisierung der Mitarbeitenden, Einrichtung eines direkten Kommunikationswegs zur Meldung von Lärmspitzen). Diese Handlungen werden dann in einer Vereinbarung festgehalten. Dadurch wird das Anerkennungsverhältnis langfristig wieder in Balance gebracht. Der Konflikt ist gelöst.